Floriks Fantastereien

GRT: Gratis ist nicht frei

Bis kurz vor Jahresende 2023 wusste ich über den Gratisrollenspieltag (GRT) nicht viel mehr, als dass er in den USA und bei uns zu unterschiedlichen Terminen stattfindet.

Und es gibt Rollenspiele kostenlos!

Ich schreibe manchmal Rollenspiele und Abenteuer. Ich verkaufe einige, aber etliche verschenke ich auch. Ob ich mir vorstellen kann, beim GRT mitzumachen, fragte man mich. Und wie!

Bis ich hörte, was erwartet wird. Ich soll einen Text von mir auf meine Kosten drucken lassen und einsenden. Freiwillige sorgen dann dafür, dass das Material auf Päckchen verteilt und an die teilnehmenden Läden und Clubs verschickt wird. Das Porto zahlt Pegasus, eine Firma, die im Jahr 2022 1,8 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet hat.

Was heißt das?

"Der GRT wirbt für das Hobby Rollenspiel." Ja, das ist so pauschal wohl richtig und klingt gut, aber wir sollten näher hinsehen.

Der GRT dient wie Freibier dazu, Menschen zu einer Veranstaltung an einen bestimmten Ort zu locken. Er ist Werbung für das, was diese Menschen am Ort der Veranstaltung wahrnehmen.

Am schwächsten sind in den Läden Indie-Produkte von Selbstverleger:innen und Auteur:innen vertreten. Für sie wirbt der GRT am wenigsten.

Der GRT suggeriert aber nun, Indie-Autor:innen könnten das selbst ändern. Er präsentiert sich als Marketingmaßnahme: Gib einen kleinen Betrag aus und werde weithin bekannt! Der Haken ist natürlich, dass es sich um Marketing mit enormer Streuung handelt. Außerdem kann ein Kleinstverlag nicht von Mengeneffekten profitieren.

Ob er es will oder nicht, der GRT macht Indie-Autor:innen im Verhältnis zu den Verlagen kleiner statt größer, selbst falls sie de facto ein paar Exemplare mehr verkaufen.

Mich erinnert das Konstrukt an die Abzocke durch Zuschussverlage im Buchmarkt. Die Mechanik und die Dimension sind dort noch einmal anders, aber die Prämisse ist die gleiche. Autor:innen werden durch die Hoffnung auf Ruhm und späteren Verdienst verführt, vorneweg Geld auszugeben.

Was ist mit dem Almanach?

Das bekannteste GRT-Produkt ist der Almanach, ein rund 200-seitiges Druckwerk im A5-Format, das überwiegend Material für bekannte Systeme enthält. Meine Ansprechperson vom GRT räumte ein, die Details nicht zu kennen. Damit sei man nicht befasst. Soweit sie wisse, verlange Pegasus von den Partnern eine Druckkostenbeteiligung und sorge dafür, dass nicht "jede*r beliebige SL sein*ihr selbstgeschriebenes Szenario in den Almanach schiebt".

Das heißt also, bilde dir nichts ein, als Indie-Autor:in bist du von vornherein "jede*r beliebige SL". Pegasus kontrolliert, welche Partner groß und zahlungskräftig genug für den Almanach sind. Das ist Pegasus‘ gutes Recht – in einer anderen Welt wäre aber durchaus ein Almanach denkbar, der von Verlagen finanziert wird und dennoch (vielleicht von einer Jury ausgewählte) Werke von unbekannten Autor:innen enthält. Das wäre Nachwuchsförderung.

Oder, noch so eine fantastische Idee ohne reale Grundlage, man könnte Werke der Autor:innen der nach Publikumsvotum besten Rollenspielprodukte des Jahrgangs präsentieren. Das wäre Werbung fürs Hobby.

Was brauchen Indie-Autor:innen?

Als jemand, der beruflich schreibt, kann ich mir nicht vorstellen, die Druckkosten für ein Gratisspiel zu übernehmen. Im Rewe geben sie mir auch kein Geld, wenn ich Zucchini holen komme.

Trotzdem bin auch ich privilegiert.

Mein Stundenlohn fürs Schreiben von Lange Schatten in Bad Bründlholz liegt nach aktuellem Stand knapp unter einem Euro, und viel mehr wird es wohl nicht mehr werden. Ich bin den Käufer:innen dankbar. Mehr war nicht zu erwarten. Ich hatte die innere und äußere Freiheit, dieses umfangreiche Projekt dennoch durchzuziehen.

Die Indie-RPG-Szene im deutschsprachigen Raum besteht aus Menschen wie mir, die sich das Schreiben von Rollenspielen leisten können.

Um starke, neue, junge Stimmen zu fördern, wäre es meiner Meinung nach wichtig, die Möglichkeiten für Autor:innen ohne Verlagsbindung zu verbessern, sprich: ein wenig Geld mit ihren in Selbstausbeutung entstandenen Produkten zu verdienen. Zum Beispiel, indem Werbe- und Verbreitungsmöglichkeiten ohne verbundene Kosten geschaffen werden, damit sie sich einen Ruf aufbauen, außerhalb einer kleinen Online-Community bekannt werden können.

Danke fürs Lesen. Dieser Beitrag war für dich gratis und frei.

#gamedesign #politics