Floriks Fantastereien

Systeme sind Werkzeuge

Ich bin gefragt worden, warum ich kein Verlangen habe, Knave zu spielen, das ich neulich als bestgeschriebenes Rollenspiel bezeichnet habe.

Zunächst möchte ich festhalten: Ich mag Knave wirklich, sonst hätte ich es nicht wiederholt gelesen.

Systeme sind für mich Werkzeuge. Ich wähle fast immer das Abenteuer oder Modul zuerst, das ich spielen möchte. Keinen fertigen Plot, aber ein bestimmtes Material, das schon Muster und Strukturen aufweist, potenzielle Geschichten: ein Genre. Anschließend wähle ich ein passendes System. Knave passte bisher nie besonders gut zu den Schrauben, bei denen ich ansetzen wollte.

Ich will gemeinsam mit den Spielenden eine strukturierte Geschichte erzählen. Vielleicht eine spannende, eine traurige, eine lustige. Oder mit offenem Ende. Jedenfalls mit interessanten Hauptfiguren. Ein System muss daher für mich zweierlei leisten:

Manche Systeme bringen von Haus aus präzise abgestimmte Regeln und Strukturen für bestimmte Arten von Material, für einzelne Genres mit – insbesondere PbtA-Systeme. Das erwarte ich von einem kleinen Tool wie Knave nicht, aber es darf der sich ergebenden Erzählstruktur zumindest nicht im Weg stehen.

(Übrigens hat die Verankerung des Genres in manchen Spielen nicht nur Vorteile. Sie bedeutet auch, dass ich Spielzüge oder Regeln vorab ändern muss, wenn ich bestimmte Aspekte des Genres anders beleuchten will, als das System es vorsieht. Bei einem Mini-System kann ich die Anpassung als SL ad hoc machen.)

Figurenerschaffung

Vorgeschichte und Charakter der von den Spielenden geschaffenen Hauptfiguren zu erforschen ist ein wesentliches Element an meinem virtuellen Tisch.

Positiv fällt mir hier auf: Knave hat keine traditionellen Klassen, die mich an D&D genauso stören wie an Dungeon World. (Sie stören mich, weil sie sich abgenutzt haben. Wenn schon Klassen, dann originelle, wie in The Between oder Troika, um zwei sehr unterschiedliche Beispiele zu nennen.) Knave geht einen anderen Weg: Es wirft den Spielenden Inspirationen hin und ruft: mach was draus! Das gefällt mir.

Allerdings sind mir die Zufallstabellen von Knave teilweise zu oberflächlich. Zu viele äußere Merkmale, zu viel Stimme und Haare und Haut und Körperbau – Charakteristika, die ich in Romanen regelmäßig ausblende. Mit den Ausrüstungs- und Zaubertabellen bin ich wieder sehr einverstanden. Sie bringen die nötigen Funken mit, um das Feuerwerk zu zünden.

Die sechs traditionellen Attribute hat Autor Ben Milton entschlackt: Statt einer Skala von 3 bis 18 gibt es nur 11 bis 19. Das erleichtert die Orientierung. Persönlich ziehe ich Systeme ohne numerische Werte vor, aber da ist jede:r anders. Mit den Attributen von Knave kann ich leben.

Erzählstruktur

Mechanisch ist Knave sehr vereinfacht gegenüber D&D oder dessen Klonen. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Inventarverwaltung. Die Zahl der getragenen Gegenstände ist durch das Attribut Constitution limitiert. Eine smarte Lösung, die ich sehr bewundere. Nur spiele ich nicht gerne mit einem starren Inventar.

Gegenstände im Inventar können Spielende zu originellen Vorgehensweisen motivieren, aber unveränderliche Ausrüstung steht für mich der Erzählung im Weg. Es gibt nichts Langweiligeres, als wenn in dem Moment, da die Figuren bereit wären, einen tiefen Schacht zu erkunden, das benötigte Seil fehlt. Das Erlöschen der letzten Fackel ergibt ab und zu eine gute Geschichte – nicht aber Einkauf und Verwaltung von Fackeln. Dafür habe ich keine Geduld.

Würde ich Knave leiten, griffe zumindest meine Hausregel, dass Inventarplätze freibleiben und die Spielenden Einkäufe in der Rückblende durchführen können.

Ich bin kein OSR-Spieler, auch wenn ich oft OSR-Abenteuer spiele. Ich nutze diese Abenteuer als Steinbrüche. Ich bereite mich vor, ich suche aus dem Material die besten Szenen heraus. Ich arrangiere sie neu, stelle sie bisweilen auch im Spiel noch um, lasse weg oder füge hinzu. Ich halte mich nicht sklavisch an die Vorbereitung, wie es ein Computer täte.

Die Spielenden müssen die Wahl, ihre Aktionen müssen Folgen haben. Es kann nicht hinter jeder Tür der gleiche Oger stehen. Dennoch: Wenn die Sitzung aufs Ende zugeht, muss die nächste Szene eine mit Potenzial zur Klimax oder zum Cliffhanger sein. Ich ignoriere die Karte, greife in die Struktur ein. Ich wähle eine Szene aus oder spitze sie zu. Wohlgemerkt, der Ausgang wird immer von den Aktionen der Figuren entschieden. Und von den Würfeln.

Das ist nicht die Struktur, die Knave erwartet. Es fordert eigentlich einen Sandkasten, eine vordefinierte Umgebung, in der sich die Figuren frei bewegen, mit der Spielleitung als neutraler Vermittlung an Computers Stelle. Nach allem, was ich weiß, wird die zweite Auflage diese Spielweise massiv durch Regeln unterstützen. Das ist nicht, was ich suche.

Die erste Version, von der ich hier rede, ist so minimalistisch, dass sie sich meiner Spielweise kaum widersetzt. Ich bin sicher, ich könnte Knave ganz gut verwenden, ich habe nur schlicht Werkzeuge bei der Hand, die besser passen.

Eines Tages

Ich kann Systeme als Systeme bewundern. Das bedeutet nicht unbedingt, dass ich sie spielen will.

Ich bewundere Knave als System. Ich würde es jederzeit mitspielen, wenn eine Spielleitung, der ich vertraue, es als ihr Werkzeug wählt.

Ich möchte nicht ausschließen, dass ich eines Tages doch mal Knave leite. Eine Kampagne habe ich im Hinterkopf, die mir auf irgendeine mysteriöse Weise besonders gut zu Ben Miltons System zu passen scheint. Das ist Griffin Mountain von Rudi Kraft, Jennell Jaquays und Greg Stafford, geschrieben für RuneQuest. Ich würde sie gerafft in zehn Sessions spielen wollen, als Geschichte einfacher Stammeskrieger:innen, die zu Held:innen aufsteigen. Mechanisch möchte ich eine D&D-typische Figurenprogression nutzen, wie ich sie sonst vermeide. Die Figuren würden nach jeder Sitzung um eine Stufe aufsteigen. Knave bringt diese Figurenprogression mit, und zwar aufs Wesentliche reduziert.

#osr #pbta #storytelling