Floriks Fantastereien

Wie ich Module konvertiere

Systeme sind Werkzeuge, habe ich neulich geschrieben. Wenn ich eine Rollenspiel-Session plane, gehe ich meistens vom Modul aus und wähle ein passendes System. Der nächste Schritt ist, das Material passend zu machen.

Denn das habe ich neulich auch schon gesagt: Wenn ich leite, bevorzuge ich einen erzählorientierten, storygame-haften Spielfluss. Ich will nicht Fackeln zählen und Inventar verwalten.

Das Erlöschen der letzten Fackel ergibt ab und zu eine gute Geschichte – nicht aber Einkauf und Verwaltung von Fackeln. Dafür habe ich keine Geduld.

Wie konvertiere ich also das Modul, wie bereite ich es auf, um es flüssig mit einem fremden System zu bespielen? Und nein, bei der Frage geht es nicht um die Übertragung von Spielwerten.

Die folgende "Methode" ist geprägt von Jason Cordovas Tipps in diversen Folgen des Podcasts Fear of a Black Dragon, insbesondere der Folge zu Horror's Heart mit dem Expert Delve "Dismantling the Railroad", aber etwa auch vom Dungeon World-Starterformat und von der ersten Fassung des Rollenspiels Trophy Gold (von Jesse Ross, erschienen in Codex Gold). Ich beanspruche keine Originalität und behaupte auch nicht, dass damit jede Session automatisch zum Knaller wird. Es ist die Vorgehensweise, die ich mir zusammengeschustert habe und die mir beim Leiten hilft. Vielleicht könnt ihr etwas davon brauchen.

Kapitelweise

Als Vorbereitung zerlege ich das Modul in Kapitel oder Abschnitte. Kapitel umfassen mehrere Räume oder Ereignisse, abhängig von Granularität können sie beispielsweise ein Haus, ein Level eines Dungeons, eine Region oder ein Dorf sein. Ich weiß aus Erfahrung, in einer Session werde ich je nach System vielleicht ein (PbtA) bis drei (Ultralight) Kapitel schaffen.

Jedes Kapitel ist wie ein Fall für Brindlewood Bay aufgebaut, es hat je eine Handvoll Orte, Personen/Monster und, naja, Belohnungen, wozu ich Schätze genauso wie Gerüchte und Informationen zähle.

Diese Kapitel mit ihren Elementen schreibe ich mir als Listen heraus, mit ein paar Eckdaten, vielleicht ein paar Eigenschaften für Personen und einer Macke1, oder mit einer Paint-the-Scene-Frage für Örtlichkeiten. Je nach Abenteuer kann ich sie in der beabsichtigten Reihenfolge einsetzen, also entsprechend der Dungeon-Karte, aber auch flexibel. So ein Kapitel hat bei mir ein bis zwei Seiten A4 Umfang.

Ich bevorzuge diese etwas aufwändigeren Zusammenschriebe, weil ich so gut wie immer einen englischen Originaltext habe, aus dem ich mir spannende Elemente herauspicke und auch gleich übersetze. So habe ich beim Leiten alles Nötige übersichtlich und auf Deutsch vor mir. Wem das zu viel Arbeit erschiene, der könnte genauso gut den – digitalen oder gedruckten – Text anstreichen, und zwar mit Markern in drei Farben für die drei Arten von Elementen: Orte, Personen, Belohnungen.

Flexibel einsetzen heißt, dass ich die Beziehungen der Elemente zueinander ändern kann:

Das heißt aber keinesfalls, dass ich ständig die Karte ändere oder den Dungeon willkürlich neu zusammensetze. Nach Möglichkeit bleibe ich bei der Struktur, die das Abenteuer vorgibt. Was ich aber brauche, ist die Freiheit, es in dem Moment zu ändern, wo ich es für besser halte.

Zum Beispiel Ravenloft

Beispielsweise habe ich dieses Jahr I6 Ravenloft2 geleitet. Wir haben das PbtA-System Fast Fantasy genommen und drei Sessions dafür Zeit gehabt. Die Spielenden haben längst nicht alle Räume gesehen, nicht einmal alle interessanten oder von mir vorbereiteten, aber doch einen guten Querschnitt.

Die Kapitel waren die Stockwerke des Originalmoduls: das Erdgeschoss mit dem Bankettsaal und der Kapelle, die herrlich benannten "Larders of Ill Omen" mit Küche, Weinkeller, das Tal überblickendem Balkon etc. Will sagen, Ravenloft ist von Haus aus in Kapitel unterteilt, wie ich sie brauche – daran ändere ich keinen Strich.

Wir sind aber innerhalb der Kapitel nicht Gang für Gang und Zimmer für Zimmer über die Kästchenkarte navigiert. Ich habe jede Menge staubige, aber im Grunde leere Korridore und Nebenzimmer weggelassen, vielmehr den Mitspielenden beispielsweise gesagt: "Ihr kommt über die Treppe auf ein neues Stockwerk. Ihr schaut hier und dort in die muffigen Gänge. Immer wieder flackert das Licht ... Ihr findet auf Anhieb keine Treppe, aber zwei interessante Türen und einen langen Gang mit vielen Abzweigen. Hinter der einen Tür hört ihr ..."

Das heißt also, ich biete ihnen im Stil eines Pointcrawls3 zwei, drei Möglichkeiten an, und ich gebe Hinweise, was sich hinter den Türen befinden könnte. Die Spielenden beziehungsweise ihre Figuren sollen sinnvolle Entscheidungen treffen und den Aspekt der Geschichte verfolgen können, der sie am meisten interessiert. Ohne Angst, den entscheidenden Hinweis zu verpassen.

  1. Zum Beispiel entsprechend der 7-3-1-Technik, und ja, die ist auch von Jason Cordova.

  2. Also das Original für "1e", die Red-Box-Version von D&D.

  3. Mehr zu Pointcrawls findet sich in Chris Kutaliks Blog Hill Cantons.

#osr #storygame